Nach der Reichsgründung 1871 stieg die Mitgliederzahl der Jüdischen Gemeinde auf 65.000 Personen an, und es sollte ein neuer Begräbnisplatz angelegt werden. In Weißensee erwarb die Jüdische Gemeinde ein über 40 Hektar großes Areal und schrieb im Frühjahr 1878 einen Gestaltungswettbewerb für den neuen Friedhof aus. Zu entwerfen waren neben einem Friedhofsplan ein Leichenhaus, eine Feierhalle, das Wohn- und Verwaltungsgebäude des Friedhofsinspektors, eine massive Einfassung mit Eingangstor und die Portierswohnung. Die Jury setzte sich aus vier Mitgliedern der Gemeinde und drei Mitgliedern des Berliner Architektenvereins zusammen. Aus dem Wettbewerb ging der Architekt Hugo Licht (1841-1923), der spätere Baustadtrat von Leipzig, als Sieger hervor, obgleich er den Kostenrahmen von 150.000 Mark um 50.000 Mark überzog. Die Bauten wurden aus gelbem Klinkerstein in italienisch-frührenaissancehaften Formen errichtet. Das prächtige schmiedeeiserne Eingangstor fertigte die Kunstschmiede von Marcus Fabian. Hugo Licht gliederte den Friedhof durch zahlreiche Alleen und Schmuckplätze unterschiedlicher Grundform. Am 9. November 1880 fand die Eröffnung des Friedhofs statt. Im Bestattungsfeld A1 hatte man eine Ehrenreihe ausgewiesen und an der Friedhofsmauer wurden die ersten Erbbegräbnisse eingerichtet. Aus dem Jahr 1909 ist eine Friedhofsordnung bekannt, die u.a. die Größe der Gräber regelte, aber auch Vorschriften zur Gestaltung der Grabmale enthielt. Eine Gärtnerei auf dem Friedhofsgelände sorgte für Pflanzennachzucht und Trauerschmuck. 1910 wurde die ‚Neue Halle‘ im hinteren Friedhofsbereich errichtet. Nach Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde ihre Ruine 1978/80 abgerissen und der verbliebene Hügel mit Rasen begrünt. Hier liegen jetzt Grabsteine von dem in den 1960er Jahren aufgelösten Jüdischen Friedhof in Köpenick. 1914-27 entstand das von Alexander Beer entworfene Ehrenfeld für die gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs 1914-1918. Mit Zunahme der Feuerbestattung erhielt der Friedhof im Jahr 1926 zusätzlich Urnenfelder nahe dem Ehrenfeld. In dieser Zeit sorgten 200 Arbeitskräfte für die Verwaltung und Pflege des Friedhofes, darunter 67 Beamte, die unter Aufsicht der 18-köpfigen Friedhofskommission wirkten. Im Zweiten Weltkrieg wurden zwar 4.000 Gräber durch Bombentreffer zerstört, viele beschädigt, jedoch war, neben dem Jüdischen Krankenhaus im Wedding, der Friedhof Weißensee die einzige jüdische Institution, die bis zum Ende des Nazi-Reichs bestand. Hier erlebten jüdische Menschen am 23. April 1945 ihre Befreiung, hier zelebrierte Rabbiner Martin Riesenburger den ersten freien jüdischen Gottesdienst. Zu Beginn der 1980er Jahre als ‚Nationales Kulturdenkmal‘ der DDR anerkannt, konnten doch erst nach 1990 intensive Wiederherstellungsmaßnahmen ausgeführt werden. Der heute größte aktive jüdische Friedhof Europas birgt mittlerweile über 115.000 Grabstätten und mit 900 Bänden ein weltweit einzigartiges Beisetzungs-Archiv.(Autor: Jörg Kuhn)
Tram M4, Haltestelle Albertinenstraße, Fußweg ca. 650 m
Sommer: April-Sept.:
Mo–Do 7:30 – 17:00 Uhr
Fr 7:30 – 14:30 Uhr
So 8:00 – 17:00 Uhr
Winter: Okt.-März:
Mo-Do 7:30 – 16:00 Uhr
Fr 7:30 – 14:30 Uhr
So 8:00 – 16:00 Uhr
Schabbat (Samstag) und jüdische sowie gesetzliche Feiertage geschlossen
Erläuterungen und Friedhofsplan zum ausdrucken
Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe
in Berlin-Brandenburg
Gefördert aus Mitteln: